Mittwoch, Oktober 14, 2009

Gerade neulich Abend...

...war ich an einem Ort, an dem man sich eigentlich nicht aufhalten sollte, wenn es dunkel ist.
Offenbach Hauptbahnhof.

Aber da das Gerede und die Gerüchte ja eh alles Quatsch ist, tut man das eben, um fix nach Frankfurt an den Hauptbahnhof zu kommen.

21:55 etwa. Ich komme an. Die Bahn fährt um 22:04.
Junger Typ (Student?) sitzt auf der Bank, junges Mädel gerade mit Handy am Rumlaufen und reintexten. Mir recht. Ist doch gar nicht so schlimm.

Also sezte ich mich auch auf die Bank. Etwa zwei Atemzüge später setzt sich ein junger Marokkaner neben mich. Und es spielte sich folgende Szene (in etwa) ab:

Er: "Was geht?"
Ich: *stirnrunzel* "Naja, warten auf Zug geht."
Er: "Warten auf Zug?"
Ich: "Jo."
Er: "Ich kenn dich."
Ich: "Äh. Ich denke nicht."
Er: "Doch doch. Du bist en Bulle." - zu dem Typen der auch auf der Bank sitzt schreiend: DER IS N BULLE ICH SCHWÖRS DIR!"
Ich: (ob der Lächerlichkeit dieser Aussage hin- und hergerissen zwischen Loslachen und Schiss kriegen...) "Ähm. Nein. Mit Sicherheit nicht."
Er: "Doch man. Du bist einer von denen. Ich kenn dich. [...] Ich hasse Bullen.
Ich: "Ich bin sicherlich kein Bulle. Ich bin Student."
Er: "Die Bullen haben auch Studenten!"
Ich: "Ja, stimmt. Aber ich studier ganz normal."
Er: "Ah ich hasse Bullen ey. Was studiersten?"
Ich: "Deutsch und Philosophie auf Lehramt. Ich werd Lehrer."
Er: "Lehrer? So'n Pisser? Ich hasse Lehrer!"

In meinem Kopf formte sich eine Mischung aus Wachsamkeit, der Vorbereitung, gleich was auf die Fresse zu kriegen und dem Wort "Scheiße".

Also versichere ich ihm, dass ich einer von der guten Sorte werden will. Scheint ihm zu gefallen, deswegen erzählt er mir von seiner Zeit im Knast und wie er dieser Russen umgebracht hatte, obwohl der ein Messer hatte.
Die Form in meinem Kopf bleibt unverändert.

Ich schiele ständig zur Uhr. 22:06.
Eine Durchsage verkündet, dass der Zug sich um wenige Minuten verspätet. Na sicher. Er erzählt - und führt vor - wie er Boxen und Kickboxen im Knast gelernt hat, letzteres ja schon mit 9 Jahren angefangen, also jetzt seit gut 11 Jahren, wie er sich damit im Knast beweisen konnte und so weiter. Ich nicke, lächle und wünsche mir, dass er sich vor den gleich einrollenden Zug wirft. Aussagen wie "wegen Überfall" und "Ich habe nichts zu verlieren" verleihen dem Bild reichlich Farbe.

Der Zug rollt ein. Er fragt mich, ob ich ein Ticket habe. Ich sage ja, ein Studententicket. Damit könne ich aber keinen mitnehmen. Kein Ding, meint er, dann fährt er eben so. Wird schon gehen.
Ich steige mit ihm ein - schließlich textet er mich noch immer voll, inklusive Boxmoves und so weiter - und bleibe im Türbereich stehen. Viel Platz zum Wegrennen, viele Zuschauer wenns zu hart kommt.

Er erzählt mir von der Gerichtsverhandlung, ich hoffe dass der Zug Lichtgeschwindigkeit erreicht. Wir halten. Frankfurt Süd. Eine zu früh. Er fragt "Sind wir schon Hauptbahnhof?" - Ich schalte und meine: "Nein, Süd. Aber ich muss hier schon raus." - Er: "Ja hier kann ich ja auch U4 nehmen, ne?" - Ich: "Nein, erst ab Hauptbahnhof." - Er (glücklich): "Echt? Okay, alles klar, ja dann machs mal gut!" - Ich: "Äh. Alles klar, danke. Du auch. Und he - ehrlich. (Auf mich zeigend) Kein Bulle. Nie im Leben. Versprochen."
Er: "Cool, alles klar Bruder" - und schüttelt mir kräftig die Pranke.


...ich steige aus, hole Zigaretten, lasse meinen Schirm bei der Gelegenheit liegen, muss dringend telefonieren und einen unbekannten Security um Feuer anschnorren.

Ich bin der Meinung, dass man viel über jemanden erfährt, wenn man ihm in die Augen schaut. In diesem Fall wäre "unberechenbarer Psychopath" angebracht gewesen.

Ob ich nun berechtigterweise Schiss hatte oder nicht ist mir ehrlich gesagt auch egal. Aber eine solche Begegnung möchte ich in nächster Zeit nicht unbedingt nochmal haben.
Und die Moral von der Geschicht: Lächeln, nicken, "Scheiße" denken. Und labern. Fragen. Auf Gesagtes eingehen. Anerkennung zeigen, egal wie deplatziert. Am Ende könnte man den freundlichen Handschlag statt ins Gesicht dann doch in die eigene Hand bekommen. Finde ich.


Darauf ein Bier.



Euer
Blackadder

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

ich bin mittlerweile wieder auf dem trip das ich lieber mit einer durchgeladenen waffe des nachts auf die straße gehe, wenn ich denn unbedingt muss. die letzten zeitungsberichte die sich mit aktuellen vorfällen in unserem kleinen städtchen und der völlig überforderten polizei diesbezüglich beschäftigen geben mir im grunde recht. hinzu kommen die letzten fälle in denen zivilcourage eingefordert wurde, umherstehende personen direkt angesprochen und um hilfe gebeten wurden und trotzdem nicht reagierten. also lieber keine courage zeigen aber wenns einem selbst an den kragen geht mit voller brutalität zurück schlagen und den angreifer wenn möglich gleich in der ersten runde aus diesem dasein verabschieden...

...aber glücklicherweise sind das gedanken die einem zwar kommen aber NOCH ist die gesellschaftskonforme hemmschwelle vorhanden, was im grunde aber auch nur eine frage der zeit sein kann.

in diesem sinne, nie wieder allein auf deutschlands straßen!

erster